Powerwolf und ihr „Sakrament der Sünde“

Powerwolf und ihr „Sakrament der Sünde“

Metal – bei dem Wort rümpfen viele angewidert die Nase. Sie verbinden damit Geschrei, Krach und Herzrasen. Umso bemerkenswerter also, wenn es eine deutsche Metalband schafft, Platz eins der Charts zu entern. Wie Powerwolf mit „Preachers Of The Night“. Auch das Nachfolgealbum „Blessed & Possessed“ landete in den Top drei, die Live-DVD schaffte es auf Platz eins. Wie macht die Band, die heute ein neues Album veröffentlicht hat, das? Eine Erklärung:

Musik und Make-up

Powerwolf ist ein Gesamtkunstwerk. Die fünf Musiker machen schnellen Powermetal, aber nicht nur mit verzerrten Gitarren und Double-Bass, sondern auch mit Operngesang und Orgelklängen. Sie kleiden sich in dunkle Gewänder aus Leder, die Gesichter sind gruselig geschminkt. Anfangs wurden sie deshalb belächelt. Mittlerweile malen sich viele Fans ebenfalls weiß-schwarzes Make-up ins Gesicht. Ein Auftritt in Jeans, T-Shirt und ungeschminkt? Undenkbar!

Feierliche „Metal-Messen“

Powerwolf-Konzerte sind feierliche „Metal-Messen“ mit sakralem Bühnenbild, am Ende knien die Fans sogar nieder. Texte und Videos sind düster, voller Anspielungen und Verzerrungen katholischer und diabolischer Riten. Titel wie „Amen & Attack“, „Armata Strigoi“, „Sacramental Sister“ und „Resurrection By Erection“ lassen erahnen: Rumänische Horror-Sagen und religiöse Anspielungen sind ihr Fachgebiet.

„Wir beschreiben religiöse Aspekte geschichtlich, führen das aber ins Absurde“, sagt Organist Falk Maria Schlegel (40). „Manche denken, wir wären Fundamentalisten. Das sind wir nicht. Wir sehen das ironisch, wollen aber keine religiösen Gefühle verletzen.“ Ihr Slogan: „Metal is religion“. Sänger Attila Dorn „segnet“ am Konzertende die Fans und schickt sie los, „den Heavy Metal zu predigen“.

Die Fans

Vielleicht ist dies das wichtigste Erfolgsgeheimnis von Powerwolf: Ihre Fangemeinde ist noch eingeschworener und „besessener“ als die restliche Metalwelt. Eine treue Fanbasis folgt den „Wölfen“ zu jedem Auftritt, zumindest in Deutschland. Obwohl die Band mittlerweile so erfolgreich ist, ist sie immer noch „selfmade“.

Artworks für CDs, LPs und Sondereditionen kommen aus der Feder von Leadgitarrist Matthew Greywolf, T-Shirts und Bühnenbild entwickeln die Bandmitglieder zusammen. Und die Outfits näht eine Hamburger Schneiderin.

Das neue Album

„The Sacrament Of Sin“ wartet mit gewaltigen Power-Metal-Stücken auf, mit Operngesang und Kirchenorgel, mit Trommelfeuerwerk und ultraschnellem Gitarrenspiel. Außer den bei ihren Fans so beliebten epischen Mitsing-Hymnen und Galopprhythmen trauen sich die „Wölfe“ Neues: etwa eine Ballade (die erste der Bandgeschichte).

Wie gut die neuen Songs live funktionieren, haben Powerwolf schon bei einigen Festivals erprobt. Ihre Bühnenshow ist noch größer, pompöser und ausgefeilter als die alte. Und das Beste: Die Wölfe kommen im Herbst nach Hamburg.

Vorab hat Matthew Greywolf schon mal mit Qultur HH geplaudert:

 

Interview mit Matthew Greywolf

Matthew Greywolf

Qultur HH: „The Sacrament Of Sin” ist schon euer siebtes Album – woher nehmt ihr in so kurzer Zeit eure Inspiration?

Matthew: Wir können nicht anders. Wir sind von dem, was wir tun, besessen, getrieben. Selbst wenn wir es versuchen würden – wir könnten nicht pausieren, denn wir lieben und leben den Wolf. Dazu bedarf es keiner speziellen Inspiration. Wir inspirieren uns gegenseitig. Es gibt noch so viel Musik zu schreiben. Das Songwriting zu „The Sacrament Of Sin“ war eine unserer kreativsten Phasen seit Gründung der Band. Nie haben wir mehr für das gebrannt, was wir tun. Nie war es spannender, neue Ideen umzusetzen.

Während „Blessed & Possessed“ aus einem Guss schien, ist „The Sacrament Of Sin“ stilistisch deutlich breiter gefächert (etwa neue Sounds, eine Ballade). Wie kommt das?

Das war ein bewusster Schritt, für den das damalige Bonusalbum von „Blessed & Possessed“ den Ausschlag gab. Auf besagtem Bonusalbum haben wir Songs unserer persönlichen Favoriten von Gary Moore bis Amon Amarth gecovert. Das waren zehn sehr unterschiedliche Bands mit unterschiedlichen Stilistiken – doch wir stellten fest, dass alles nach Powerwolf klang, wenn wir es auf unsere spezielle Weise vertonen. Warum also nicht mal beim eigenen Songwriting bewusst in verschiedene Richtungen schreiben? Genau das haben wir gemacht – ohne Scheuklappen und lediglich mit der Maßgabe, dass es sich natürlich anfühlen und nach Powerwolf klingen muss. So kommt es, dass auf „The Sacrament Of Sin“ eine große Bandbreite an Songs enthalten ist.

Auf welchen Song freust du dich am meisten, wenn du ihn endlich live spielen darfst?

Wir haben „Demons Are A Girl’s Best Friend“ bereits auf einigen Festivals der noch jungen Festivalsaison gespielt – das war der Song, auf dessen Livepremiere wir alle hingefiebert hatten, denn er ist für Bühne und Interaktion mit dem Publikum gemacht. Wie sich zeigt, hatten wir den richtigen Riecher, denn der Song ist schon jetzt eins der Highlights einer Powerwolf-Show.

Auf dem Rockharz gab es schon mal einen Vorgeschmack auf eure neue, noch pompösere Bühnenshow. Welche Ideen wollt ihr in Zukunft noch umsetzen?

Der Himmel ist das Limit wie es so schön heißt. Das könnte bei unserem konzeptionellen Rahmen sogar buchstäblich wahr werden … Nein, im Ernst: Wir arbeiten seit unserer Gründung fieberhaft an immer aufwändigeren Liveshows sowie an unserer Musik. Wir werden 2018 unsere mit Abstand größte Liveproduktion auf Tour mitbringen.

Warum gibt es eine Cover-CD („Communio Lupatum“) als Beilage?

In Zeiten von Spotify und Co. ist es essentiell wichtig, dass das physische Produkt – das glücklicherweise im Rock und Metal noch einen wichtigen Stellenwert hat – möglichst hochwertig und umfangreich ist. Sozusagen als Dank an alle, die noch CDs oder Vinyl kaufen. Deshalb gibt es von unseren Alben immer auch besonders schöne, aufwändig gestaltete Box-Sets – und ein Bonusalbum, das eine hohe Wertigkeit haben soll. Einfach mal schnell einen Livemitschnitt oder ein paar Demo-Outtakes als Bonusalbum beizulegen ist nicht unser Stil. Wir wollen dem Käufer etwas bieten. Die Idee zu „Communio Lupatum“ entstand aber aus einer viel direkteren und weit weniger strategischen Überlegung heraus: Als wir 2017 zusammen mit Epica auf Europatour waren, spielten die Jungs und Mädels eines Tages bei ihrem Soundcheck unseren Song „Sacred & Wild“. Wir waren von deren Version so begeistert, dass wir sie fragten, ob sie das nicht mal aufnehmen wollten. Eigentlich nur, damit wir die Aufnahme für unser Privatarchiv hätten. Aber kaum hatten Epica begeistert zugesagt, kam schon die Idee auf, ob wir nicht ein paar weitere befreundete Bands fragen sollten, etwas Ähnliches zu tun. Das wäre doch ein cooles Projekt. So entstand am Ende dieses Album, auf dem zehn so unterschiedliche Bands wie Epica, Heaven Shall Burn, Eluveitie oder Battle Beast unsere Songs auf ihre Weise interpretieren.

Welcher der Coversongs gefällt dir besonders gut?

Alle sind auf ihre Weise absolut großartig, denn alle Bands haben unsere Ansage, ihren eigenen Song aus der Vorlage zu basteln, auf super kreative Weise umgesetzt. Ich hatte einen unglaublichen Gänsehaut-Moment, als ich die Version von „Amen & Attack“ von Mille Petrozza von Kreator zum ersten mal hörte. Denn Mille und Kreator waren meine Jugendhelden. Hätte dem 14-jährigen Matthew damals jemand erzählt, dass Mille einmal einen seiner Songs Covern würde, hätte ich ihn wohl ausgelacht …

Und zum Schluss natürlich eine Hamburg-Frage: Was verbindest du mit Hamburg?

Mit Hamburg verbinde ich eine der intensivsten Live-Erinnerungen ever. Ich glaube es war auf der ersten Wolfsnächte-Tour, 2012, als wir zum ersten Mal als Headliner in der Markthalle spielten. Das Publikum war lauter als die Band, der Schweiß tropfte von der Decke und wir waren noch Stunden nach der Show sprachlos. Das werde ich nie vergessen. Seit dieser Show verbindet Powerwolf und Hamburg eine ganz besondere Beziehung. Shows in Hamburg sind immer noch ein wenig wilder, lauter und intensiver als andernorts. Wir freuen uns schon auf die Show im wunderbaren Mehr!-Theater im Herbst!

„The Sacrament Of Sin“: Napalm Records, VÖ 20. Juli

Mehr!-Theater: 29.10., 19.30 Uhr, 42 Euro

 

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