Morgens Schule, abends Rampenlicht
Zurzeit bezaubert Mary Poppins im gleichnamigen Musical mit ihren Kunststücken die Zuschauer im Stage Theater an der Elbe. An ihrer Seite sind ihre Schützlinge Jane und Michael Banks. Die Kinder sind im ganzen Musical präsent, müssen viel Text auswendig lernen, viel schauspielern, viel singen und tanzen – und machen das im Gegensatz zu den erwachsenen Darstellern nicht hauptberuflich. Die MOPO hat zwei der Kinder begleitet, die diese Mammutaufgabe bewältigen.
Flavia (10) und Liam (8) stehen vor einem Klavier, singen aus voller Kehle „Willst du diese Stellung haben“, mit der die Kinder im Musical ein neues, tolles Kindermädchen suchen. Um sie herum sitzen sieben Jungen und Mädchen, die noch in der Ausbildung sind. „Zukunftskinder“ nennt Melanie Vollmert-Michaelis (42) sie. Die Powerfrau leitet die Kinderabteilung im Stage Theater, lernt mit den Kindern Texte, wie sie die Szenen spielen und die Songs singen – und vor allem ist sie in der Zeit, die die jungen Musicalstars im Theater verbringen, eine Art Ersatz-Mama. „Ich übernehme für die Kids die Verantwortung. Wenn einer zum Beispiel Bauchweh hat, muss ich für Ersatz sorgen. Ich entscheide, ob ein Kind spielen kann oder nicht“, sagt Vollmert-Michaelis.
Heute sind aber glücklicherweise beide Kinder fit, tanzen wild auf ihren Besen herum, singen dabei „Mit ’nem Teelöffel Zucker“. „Wo ist die Falle?“, ruft plötzlich Eva Michaelis. Sie begleitet Flavia und Liam am Klavier, singt die Poppins dazu. Flavia hat in eine Pause hineingesungen, soll außerdem mit ihrer Stimme „oben“ bleiben. Also noch mal. Diesmal klappt es, aber Eva Michaelis fehlt der Ausdruck. „Wie schmeckt es? – Wunderbar!“, ruft sie, lächelt den Kindern zu. Man merkt, dass es anstrengend ist für die Kinder, aber auch, wie viel Spaß sie dabei haben. Das ist wichtig, findet Melanie Vollmert-Michaelis: „Wenn die Kinder das als Job sehen, sollten sie aufhören. Sie müssen Spaß haben.“
Trotzdem muss natürlich viel geprobt werden. Schließlich sind die jungen Darsteller Laien, haben nicht wie die Erwachsenen eine jahrelange Ausbildung hinter sich. Deshalb haben Liam und Flavia schon im Oktober angefangen, zu üben. Das Schwierigste war, da sind sich beide einig, die Texte zu lernen. Ihre Trainerin, die schon Kinder bei „Elisabeth“ und „Das Wunder von Bern“ trainiert hat, stimmt zu: „Bei Mary Poppins spielen die Kinder fast Hauptrollen und haben viel Text.“ Besonders für die Achtjährigen, die selbst kaum lesen können, ist das eine enorme Herausforderung.
Inzwischen sind Flavia und Liam eingesungen, sollen noch kurz die Anfangsszene proben. Dazu geht’s auf die Probenbühne, auf der Dance Captain Greg mit den „Großen“ Choregografien übt. Liam und Flavia müssen sich von ihrem Kindermädchen losreißen und abhauen. Das geht zum Glück schnell, denn die beiden müssen runter in ihre Garderobe und danach in die Maske. Die Kinder schlüpfen in Kleider, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts modern waren. Vor allem Flavia hat viel zu tun: Strumpfhose, Unterhose, Unterrock, Kleid und Mantel. Liam sagt grinsend: „Die Mädchen hatten’s schwer!“ Er selbst trägt Pullunder, Krawatte und Kniebundhose. Weil das schon super aussieht, müssen die Kinder nicht geschminkt werden, bekommen nur ihre Mikrofonkabel mit Metallfedern ins Haar gesteckt.
So richtig aufgeregt sind sie nicht, eher freuen sie sich schon jetzt auf den Applaus. „Das Tollste ist, wenn alle jubeln“, sagt Flavia und hüpft auf der Stelle. Aber auch auf ihre Lieblingsszene – wenn beim Zungenbrecherlied „Supercalifragilisticexpialigetisch“ alle gemeinsam auf der Bühne tanzen – freut sich die Zehnjährige. Liam hingegen findet „Step In Time“ am coolsten, den Stepptanz, den das Ensemble als Schornsteinfeger auf den Dächern tanzt. Was für die Zuschauer ziemlich kompliziert aussieht, findet der Achtjährige kinderleicht: „Das Steppen war 100 Prozent leichter zu lernen als Supercali.“ Kurz bevor die Show beginnt, laufen Flavia und Liam zur Hinterbühne.
Die beiden sind eines von aktuell vier „Geschwister“-Paaren. Drei weitere Paare sind noch im Training, zwei fangen bald mit den Proben an. „Eigentlich brauchen wir 16 Paare“, sagt Melanie Vollmert-Michaelis. Denn die Kinder dürfen nur eine Show pro Woche spielen, dürfen maximal 30 Arbeitstage pro Jahr haben. Alles ist klar geregelt, muss vorher von Jugendamt, Arzt, Eltern und Schule genehmigt werden. Kinder, die Spaß am Singen und Schauspielern haben, können sich bewerben und bei einem der Castings mitmachen (Voraussetzungen siehe unten). Und wie Liam und Flavia ein Leben zwischen Schulbank und Rampenlicht führen.
Stage Theater an der Elbe: Tickets ab 54 Euro
KINDERDARSTELLER GESUCHT
Für die Rolle von Jane und Michael sucht das Stage Theater dringend weitere junge Darsteller. Kinder, die gern singen, tanzen und schauspielern und aus der Nähe von Hamburg kommen, können sich bewerben. Jane-Darstellerinnen müssen zwischen 9 und 13 Jahre alt und dürfen maximal 1,45 Meter groß sein. Michael-Darsteller sollten zwischen 8 und 12 Jahre alt und maximal 1,37 Meter groß sein. Bewerbungen mit Name, Adresse, Alter, Größe, Foto und Telefonnummer an kinder.casting@stage-entertainment.com senden.