Verräterische Familienbande
Nach 20 Jahren im Gefängnis kommt Nane endlich auf Bewährung frei – allerdings hat sie nach wie vor mit ihrer Schuld zu kämpfen. Denn vor 20 Jahren ist ein Mensch ihretwegen gestorben – ausgerechnet der Sohn des neuen Ehemanns ihrer Schwester Pia. Mord lautete das Urteil. Nun muss sich Nane in Freiheit zurechtfinden. Sie will wissen, was damals passiert ist, denn so richtig erinnern kann sie sich nicht.
Pia dagegen lebt ein Luxusleben in der Beschaulichkeit eines Weinguts. Mit ihrem Pragmatismus und ihrer kühl-berechnenden Art ist sie das absolute Gegenteil der impulsiven, hitzigen Nane. Die beiden können sich nicht ausstehen, nicht nur durch das, was in der Mordnacht passiert ist …
Inge Löhnig, die mit „Der Verrat“ bereits ihren zweiten Roman unter dem Pseudonym Ellen Sandberg herausgebracht hat, erzählt eine Familiengeschichte, die von Eifersucht, Liebe, Leidenschaft und Rache geprägt ist. Dabei springt sie geschickt zwischen den Ereignissen 1998 und 2018 hin und her. Der Leser lernt die ganze verwinkelte Sippschaft kennen: die drei Schwestern (außer Nane und Pia gibt es noch die harmoniebedürftige, ruhige Birgit), deren Liebschaften, den Winzer Thomas von Manthey, der mit Pia verheiratet ist, dessen Schwester Margot, die auf dem Weinberg das Bürozepter schwingt, sowie weitere Angehörige, die alle mehr oder weniger unter dem Todesfall von 1998 leiden – oder auf andere Art ihre Finger im Spiel haben. Unaufhaltsam spitzen sich die Ereignisse zu – sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart.
Der Roman rollt der Tragödie entgegen, reißt den Leser besonders wegen seiner menschlichen, greifbaren Figuren mit und lässt ihn nachdenklich zurück: Schuld, Rache oder Vergebung? Psychologisch tiefgründig, absolut lesenswert!
Ellen Sandberg: „Der Verrat“, Penguin, 480 S., 15 Euro