Was passiert, wenn der Dollar einbricht? Wenn Trinkwasser knapp wird, weil zu gierig per Fracking Erdöl gefördert wurde? In „Eine amerikanische Familie“ zeichnet Lionel Shriver genau das nach – anhand einer ganz normalen Familie, den Mandibles. Der Roman spielt im Jahr 2029. Florence und ihr Sohn Willing leben in bescheidenen Verhältnissen. Weil das Wasser knapp ist, darf jeder nur einmal pro Woche duschen, Abwaschwasser wird mehrfach verwendet. Noch schwieriger wird es, als mehrere Staaten eine neue Reservewährung beschließen, die USA sich abschotten und der Dollar quasi wertlos wird.

Der Leser bekommt mit, wie von Einkauf zu Einkauf alles teurer wird, Lebensmittel vergriffen sind, immer mehr Leute arbeitslos werden und verrohen. Ganz nebenbei lässt Shriver bissig-ironisch einfließen, was sich heute schon abzeichnet: etwa, dass Putin Präsident auf Lebenszeit ist, es keine gedruckten Bücher und Zeitungen mehr gibt, in Europa jedes Land seine eigene Währung hat. Ihr Blick ist pessimistisch, sie beschreibt detailliert, wie schnell eine Gesellschaft verfällt: Bettelnde Banker, raubende Kinder und was passiert, wenn es kein Klopapier mehr gibt. Dabei zeichnet sie nicht nur Florence’ und Willings Situation nach, sondern springt immer wieder zu Verwandten, die verschiedenen Gesellschaftsschichten angehören. Packend schildert die Autorin, wie alle von der Inflation unaufhaltsam in Armut rutschen. Der gesamte Clan muss schließlich in das ohnehin schon enge Haus von Florence ziehen.

Das Buch beginnt langsam, doch zum Ende hin gibt es große Zeitsprünge. Teilweise lässt Shriver mehrere Jahre verstreichen, bis sie die Geschichte weiter erzählt, die im Jahr 2057 endet. Die Handlung ist durchdacht, nie übertrieben. Was den Roman so packend und beklemmend macht: Es ist denkbar, dass so etwas passiert. Eine beängstigend logische Distopie.

Lionel Shriver: „Eine amerikanische Familie“, Piper, 496 Seiten, 24 Euro